Mr. Wet-Look

„Ich werde nichts schreiben, was Sie nicht wollen.“ Er wollte es sich selbst kaum eingestehen, aber er war enttäuscht von dieser Antwort. Sie waren eben so persönlich miteinander umgegangen und hatten sogar getanzt und nun war alles so geschäftsmäßig. Das würde er noch oft genug miterleben. „Und ich gebe mir die größte Mühe, Sie erst als Weltmeister zu bezeichnen, wenn Sie es wirklich sind.“ Er nickte und konzentrierte sich dann auf die weiteren Fragen. „Ich habe auch nur noch eine letzte Frage zum Schluss. Oder eigentlich sind es zwei. Es ist nicht abzustreiten, dass Deutschland einer der Favoriten ist. Wen würden Sie noch zum engeren Kreis zählen? Und die Konfrontation mit welchen Nationen würden Sie lieber vermeiden? Ich erinnere nur ungerne an Italien…“ Er seufzte leise. Das war eine wirklich schwierige Frage, weil solche Spiele sowohl positiv als auch negativ ausgehen konnten. „Das Gastgeberland wird häufig von den Medien als klarer Favorit dargestellt, aber ich finde dieses Jahr gibt es sehr viele gute Mannschaften, die sich sowohl als langjährige Favoriten als auch als Geheimtipps entpuppen. Und eigentlich wollen wir als Nationalmannschaft keine Begegnungen vermeiden. Denn dann dürften wir hier eigentlich nicht auflaufen. Wir müssen jedes Spiel so hinnehmen, wie es gerade kommt und damit umgehen können. Italien ist natürlich immer wieder ein großes Thema, aber wir wissen noch gar nicht, ob wir jemals auf die Mannschaft treffen und deswegen brauchen wir jetzt deswegen noch keine Panik schieben.“

Als er seufzte, wurde sie aufmerksam, weil es viele unterschiedliche Bedeutungen haben konnte. „Das Gastgeberland wird häufig von den Medien als klarer Favorit dargestellt, aber ich finde, dieses Jahr gibt es sehr viele gute Mannschaften, die sich sowohl aus langjährige Favoriten als auch als Geheimtipps entpuppen. Und eigentlich wollen wir als Nationalmannschaft keine Begegnungen vermeiden. Denn dann dürften wir hier eigentlich nicht auflaufen. Wir müssen jedes Spiel so hinnehmen, wie es gerade kommt und damit umgehen können. Italien ist natürlich immer wieder ein großes Thema, aber wir wissen noch gar nicht, ob wir jemals auf die Mannschaft treffen und deswegen brauchen wir jetzt deswegen noch keine Panik schieben.“ Sie war gerade froh, dass sie hier saß und dieses Interview führte. Denn sie kannte einige Kollegen, die aus den Worten des Trainers eine ‚Verdrängungstaktik‘ sah. Sie nickte deshalb einfach und notierte sich die letzten Stichpunkte. „Das war auch schon alles. Danke, dass ich Ihre Zeit in Anspruch nehmen konnte“, lächelte sie und stand auf. Wenn er noch eine Besprechung hatte, wollte sie ihn nicht aufhalten. Wobei… An der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Und danke für den Tanz vorhin“, murmelte sie schüchtern und verschwand eilig, ehe er ihr folgen konnte. Die Worte waren peinlich gewesen und sie wollte nicht wissen, was er jetzt von ihr dachte. Da verzog sie sich lieber in ihr Zimmer und setzte sich daran, das Interview abzutippen.

„Das war auch schon alles. Danke, dass ich Ihre Zeit in Anspruch nehmen konnte.“ Er erhob sich ebenfalls. „Immer wieder gerne.“ Diese Freundlichkeit war durchaus angebracht ihr gegenüber. Bei anderen Journalisten war er häufig distanzierter. „Und danke für den Tanz vorhin.“ Er lächelte bloß und wollte sich ebenfalls bedanken, da verschwand sie schon eilig. Seufzend lehnte er sich gegen den Türrahmen. Jetzt rannten die Frauen schon vor ihm davon. Trotzdem fand er es unhöflich, wenn er ihr nicht antworten konnte und so kramte er sein Handy hervor und tippte eine kurze SMS.

Ich fand den Tanz auch schön. Aber deswegen brauchen Sie nicht vor mir wegrennen

Danach holte er seine Unterlagen aus seinem Zimmer und ging dann zurück in den Besprechungsraum. Dort sah er noch einmal über seine Notizen und wartete dann auf die Anderen. Irgendwie überkam ihn gerade ein seltsames Gefühl von Einsamkeit. Er schüttelte den Kopf. So ein Unsinn.

„Immer wieder gerne.“ Sie hatte bei diesen Worten gelächelt. Darauf würde sie sicherlich zurückkommen…beruflich. Und irgendwie verstand sie nicht, warum er sich so aus der Öffentlichkeit zurückhielt. Er meisterte diese Interviews doch hervorragend. Aber vermutlich lag das genauso in seiner Natur wie ihre Tollpatschigkeit.
Sie hatte gerade die Überschrift geschrieben, da klingelte ihr Handy. Gedanklich schon bei den Formulierungen, achtete sie nicht auf den Absender. Deshalb war sie auch überrascht, als sie den Text las. Nur mit einem hatte sie hier getanzt… „Er hat mir tatsächlich noch geschrieben“, murmelte sie ungläubig. Und irgendwie gefiel es ihr doch. Aber sie würde ihm jetzt nicht antworten. Sie wollte ihn nicht stören und sie war ja nicht vor ihm davon gelaufen. Aber das würde sie ihm noch irgendwie sagen können. Jetzt musste sie erst ihre Arbeit fertig machen.

Er bekam keine Antwort, aber er hatte sowieso keine Zeit, sich darum zu kümmern. Die Besprechung war wichtig und forderte seine ganze Aufmerksamkeit. Nachdem sie fertig waren, wollte er endlich eine Stunde Ruhe haben und verzog sich zu den Hängematten. Er stellte sein Handy aus und machte es sich in dem angenehm weichen Stoff bequem. Hier könnte er noch viel öfter liegen. Wenn er doch bloß nicht so viel arbeiten müsste, dann wäre manchmal vieles einfacher.

Sie hatte nicht lange gebraucht, weil sie die Antworten noch im Kopf gehabt und die Aufzeichnungen vor sich liegen hatte. Nachdem sie den Text nochmal auf Rechtschreibfehler korrigiert hatte, schickte sie ihn an Herrn Bierhoff. Der würde ihn gegenzeichnen und weiterleiten. Seufzend lehnte sie sich anschließend zurück und schloss für einen Moment die Augen. Wenn dieses Interview gut war, hatte sie die Anerkennung des Teams. Und das war ihr wichtig. Genießerisch drehte sie sich zur Seite und ließ die Sonne durchs Fenster auf ihr Gesicht scheinen. Aber irgendwie war ihr das zu wenig, deshalb stand sie auf und verließ den Bungalow. Es war viel zu schön hier und sie kannte noch nicht alle Ecken. Während sie über das Gelände lief, schrieb sie eine SMS an Julia. Vielleicht hatte sie Lust, mitzukommen. Da sie so mit ihrem Handy beschäftigt war, achtete sie nicht mehr auf den Weg und spürte im nächsten Moment, wie ihr Handy auf dem Boden landete und sie fassungslos auf den Co-Trainer sah, der vor ihr auf dem Boden saß. Sie hatte ihn nicht ernsthaft… „Oh mein Gott“, hauchte sie und kniete sich neben ihn. „Es tut mir Leid. Ich habe nicht auf den Weg geachtet und…habe ich Ihnen wehgetan?“

Die Sonne war so angenehm warm gewesen, dass er irgendwann einfach weggedriftet war. Das nächste, was er spürte, war der kühle Boden und ein unangenehmer Schmerz in seiner Schulter. Irgendwie war er aus der Hängematte gefallen und direkt auf seinem Arm gelandet. Er verzog das Gesicht. „Oh mein Gott.“ Er hob den Blick und sah in die blauen Augen seiner tollpatschigen Journalistin. Das passte zu ihr. Er war ihr auch nicht böse, aber seine Schulter fühlte sich doch ziemlich unangenehm an. „Es tut mir Leid. Ich habe nicht auf den Weg geachtet und…habe ich Ihnen wehgetan?“ Er richtete sich auf und hielt sich die Schulter. Als er sie bewegen wollte, knackte es ziemlich unangenehm und er zuckte zusammen. „Schon gut. Es geht schon.“ Aber er würde jetzt lieber auf sein Zimmer gehen. Da warf ihn wenigstens niemand aus dem Bett. Ohne noch ein Wort zu sagen, ging er in Richtung seines Bungalows. Irgendwie schienen sie kein gutes Verhältnis miteinander haben zu sollen. Sie schrieb ihm nicht und dann so ein unglückliches Aufeinandertreffen.

Sie sollte besser aufpassen. Nein, sie musste es. Irgendwann würde sie noch jemanden umbringen. Nur langsam stand sie auf, als Herr Flick aufstand. Besorgt musterte sie ihn und zuckte selbst zusammen, weil sie das Knacken in seiner Schulter hören konnte. Sie hatte ihn wirklich verletzt. Immer kleiner werdend sah sie ihn an. „Schon gut. Es geht schon.“ Das glaubte sie ihm nicht. Auch wenn sie ihm das nicht sagen konnte, widersprach sie ihm in Gedanken. Aber bevor sie überhaupt etwas antworten konnte, drehte er sich um und ging. Sie merkte, wie ihre Augen kurz feucht wurden. Sie hatte sich doch entschuldigt und sie hatte seine Verletzung zu verantworten. Aber dass er deshalb jetzt so abweisend war, versetzte ihr einen Stich in der Brust. Normalerweise hätte sie ihn jetzt wohl in Ruhe gelassen. Aber seit dem Tanz hatte sie das Gefühl, eine engere Verbindung zu ihm zu haben. Und auch wenn sie sich jetzt komplett blamieren würde, eilte sie ihm nach. „Herr Flick…es tut mir wirklich Leid. Ich kann verstehen, wenn Sie sauer auf mich sind, aber Sie sollten Ihren Arm untersuchen lassen“, bat sie ihn und sah unsicher zu ihm auf, als sie vor seinem Bungalow standen.

„Herr Flick…“ Diese Stimme würde er wohl immer wiedererkennen. Sie hatte in der letzten Zeit viel zu oft seinen Namen gesagt. „Es tut mir wirklich Leid. Ich kann verstehen, wenn Sie sauer auf mich sind, aber Sie sollten Ihren Arm untersuchen lassen.“ Er drehte sich zu ihr und seufzte leise. „Ich bin nicht wütend auf Sie. Ich kann das bloß gerade nicht gebrauchen.“ Kurz fuhr er sich über die kurzen Haare. „Kommen Sie doch erst mit rein.“ Nachdem sie ihm zugestimmt hatte, brachte er sie auf sein Zimmer und setzte sich auf das Bett. Er schob sein T-Shirt höher und man sah nur einen großen lila-blauen Fleck. Dann war es nur eine leichte Prellung und er musste bloß aufpassen, dass er nicht auf dieser Seite schlief. Erst jetzt achtete er bewusst wieder auf seine Begleitung. „Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen machen.“

„Ich bin nicht wütend auf Sie. Ich kann das bloß gerade nicht gebrauchen.“ Sie schluckte bei diesen Worten. Es war ein Fehler gewesen, ihm zu folgen. „Kommen Sie doch erst mit rein.“ Verwirrt blickte sie zu ihm auf. Erst war er so abweisend und jetzt sollte sie mitkommen? Irgendwie passte das in ihren Augen nicht zusammen. Aber er hatte ihr schon einmal vorgeworfen, dass sie vor ihm geflüchtet war und nochmal wollte sie das nicht erleben. Deshalb folgte sie ihm stumm und sah sich doch neugierig um. Die Einrichtung war dieselbe wie in ihrem Bungalow. Unschlüssig blieb sie in seinem Zimmer stehen, als er sich auf das Bett setzte. Gerade wollte sie zu einem der Sessel gehen, da sah sie, wie er seine Schulter freilegte. Auch wenn der Bluterguss eindeutig zu erkennen war, nahm sie doch zunächst den trainierten Körper wahr und konnte ihren Blick nicht abwenden. Durch die Hemden war das nie so zu erkennen und er schien sie gerade überhaupt nicht zu beachten. Sonst hätte er das wohl nicht gemacht. „Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen machen.“ Sie blinzelte und ihre Augen schweiften zu seinem Gesicht. „Mache ich aber“, murmelte sie und verschwand kurz in ihrem Bungalow. Sie hatte eine Creme dabei, die ihm hoffentlich etwas helfen würde, wenn er schon nicht zum Arzt wollte. Nur wenige Minuten später war sie zurück und ging langsam zu ihm. „Darf ich?“, fragte sie leise und hielt ihm die Salbe hin.

„Mache ich aber.“ Anders hatte er sie auch überhaupt nicht eingeschätzt. Sie war immer sehr bekümmert um alle Menschen in ihrer Umgebung. Zumindest hatte er diesen Eindruck erlangt. „Mache ich aber..“ Er sah ihr fragend nach, als sie urplötzlich sein Zimmer verließ. Wo wollte sie denn jetzt hin? Hatte er doch irgendetwas falsch gemacht? Aber sie hatten doch kaum gesprochen. Kopfschüttelnd stand er auf und zog sich das Shirt über den Kopf und betrachtete die Stelle im Spiegel. Sie lief langsam blau an. Das war wirklich nicht gut. Doch dann erkannte eine junge Frau im Spiegel. Frau Kramer kam doch wieder zurück? Er war reichlich irritiert. Sie kam zu ihm und es war doch ziemlich seltsam, dass er mit nacktem Oberkörper vor ihr stand. „Darf ich?“ Er drehte den Kopf und sah die Salbe in ihrer Hand. Schaden konnte das sicher nicht. Also nickte er und ließ sie einfach machen.

Sie schluckte, als sie seinen Körper gesehen hatte. Wie hatte sie auch ahnen können, dass er sich das Shirt direkt ganz auszog? Aber dann riss sie sich zusammen und blendete ihre Gedanken aus. „Das wird jetzt kalt“, murmelte sie warnend und tupfte vorsichtig ein bisschen Salbe auf seine Schulter. Trotzdem entging ihr seine Reaktion nicht, aber anders war es einfach nicht möglich. Sie hatte das Gefühl, noch nie so behutsam mit jemandem umgegangen zu sein. Aber er war ihr Chef und Trainer der deutschen Nationalmannschaft. Da durfte sie sich einfach keinen Fehler erlauben. Auch wenn sie nicht daran denken wollte, kam sie nicht darum herum, seinen Körper zu studieren. Die Haut war braun und alles, was sie unter ihren Fingern spürte, waren Muskeln. Auch als die Salbe vollständig in die Haut eingezogen war, zog sie ihre Hände nicht zurück. Irgendetwas hinderte sie daran.

„Das wird jetzt kalt.“ Er versuchte, ganz ruhig zu bleiben, um sie nicht zu verunsichern. Aber stellenweise tat es doch ziemlich weh und so musste er hin und wieder dich zurückzucken. Doch sie gab sich wirklich viel Mühe und so hielt er still. Neugierig beobachtete er sie. Zwischen ihnen schien sich etwas völlig Anderes zu entwickelt. Das konnte er gar nicht einschätzen. Auch die Art, wie sie ihn musterte, bekam er mit und sie schickte eine Gänsehaut über seinen Körper. Dabei war das zwischen ihnen doch nur ein kollegiales Verhältnis oder eher gesagt, war er ihr Chef und durfte sich absolut nichts erlauben. Doch als sie ihn immer noch berührte, obwohl es nicht mehr nötig war, wurde ihm seltsam warm. Diese junge Frau durfte ihm nicht so nah sein. Er verstand sich da allerdings selbst nicht. Wieso interessierte ihn das so? Aber er musste das dringend unterbinden. Vorsichtig legte er seine Hand auf ihre und hielt sie vielleicht einen Moment zu lange fest, ehe er sie doch wieder los ließ. Er war gerade einfach zu schwach, um sie von sich zu schieben.

Sie waren wirklich in einer ungünstigen Position. Durch den Spiegel konnte er jede ihrer Bewegungen beobachten und doch achtete sie nicht darauf. Erst als er seine Hand auf ihre legte, hielt sie inne. Sie schluckte. Sie hatte ihn viel zu lange berührt. Das könnte sie nicht erklären. Zumindest nicht mit einer Erklärung, die sie nicht in Schwierigkeiten bringen würde. Doch dann verwirrte er sie zusätzlich, weil er ihre Hand festhielt, sie aber dann doch nicht von seiner Schulter schob. Fragend sah sie ihn durch den Spiegel an und meinte für einen Moment, auch bei ihm einen leicht irritierten Blick festzustellen. Kurz schweiften ihre Augen zu seiner Brust und das war der Auslöser dafür, dass sie ihre Hände endgültig zurückzog. Das alles war so schon peinlich genug. Sie räusperte sich leise und trat einen Schritt zurück. „Ähm…also…vielleicht sollten Sie doch einen Arzt aufsuchen…“ Unsicher fuhr sie sich durch die Haare und kam doch nicht umhin, erneut seinen Blick zu suchen.

Er spürte ihre Blicke und fühlte sich ziemlich geschmeichelt. Dass ihn eine junge Frau noch so ansehen würde, hätte er auch nicht erwartet. Trotzdem war es verboten und er müsste wirklich aufpassen, wenn er sich nicht die Finger verbrennen wollte. „Ähm…also…vielleicht sollten Sie doch einen Arzt aufsuchen…“ Sie riss ihn aus seinen Gedanken. Nur weil sie ihn kurz angesehen hatte, brauchte er sich darauf wirklich nichts einbilden. Als sie ihn ansah, lächelte er und griff schnell nach einem Hemd und knöpfte es zu. Er wollte sie nicht noch mehr verwirren. „Ich werde mal abwarten, was ihre Wundercreme so bringt. Vielleicht klärt sich das auch ganz von selbst.“ Er wandte seinen Blick nicht von ihren blauen Augen ab. „Dankeschön.“

Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass er das Hemd nicht anziehen musste. Aber das gehörte sich nun wirklich nicht und sie würde in Teufels Küche kommen, wenn irgendjemand ihre Gedanken lesen konnte. Dass Julia etwas ahnte, war schon schlimm genug. „Ich werde mal abwarten, was Ihre Wundercreme so bringt .Vielleicht klärt sich das auch ganz von selbst. Dankeschön.“ Sie erwiderte seinen Blick und verlor sich in diesem Blau. Da konnten ihre Augen einfach nicht mithalten. Und das Hemd schien es noch strahlender werden zu lassen. „Habe ich gerne gemacht“, murmelte sie nur reflexartig und runzelte dann doch die Stirn. Sie hatte eine Feder auf seinem Hemd entdeckt, die wohl vom Kopfkissen kam. Kurz zögerte sie und ging dann doch auf ihn zu. Das störte das Bild jetzt wirklich. „Sie haben da etwas“, erklärte sie leise und zupfte die Feder von seiner Brust. Bei der Berührung kribbelten ihre Finger. Als sie seinen Blick sah, hielt sie ihm zum Beweis ihre ausgestreckte Hand entgegen und zeigte ihm die kleine weiße Feder. Wieder war sie ihm viel zu nah und sah entschuldigend zu ihm auf.

„Habe ich gerne gemacht.“ Lächelnd beobachtete er sie und war dann doch etwas irritiert, als sie ihn berührte. Dafür gab es eigentlich keinen Grund. „Sie haben da etwas.“ Sofort richtete sich sein Blick auf sein Hemd. Aber er trug es zum ersten Mal. Ein Fleck konnte es also nicht sein. Als sie ihm die Feder präsentierte, war er verwirrt. Wie kam die auf seine Kleidung? „Wo kommt die denn her?“, überlegte er laut und ging zu seinem Bett. Mehrere Kissen lagen auf seinem Bett und eins musste ja der Übeltäter sein. „Könnten Sie vielleicht...“ Er hatte seinen Gedanken noch nicht ganz ausgesprochen, da drehte er sich um und wollte Frau Kramer ein Kissen geben, damit sie ihm vielleicht helfen konnte. Aber er traf sie am Arm und ein paar Federn landeten auf ihrem T-Shirt. Entschuldigend sah er sie an und konnte sich ein Lächeln doch nicht verkneifen.

„Wo kommt die denn her?“ Sie lachte leise. „Wenn Sie nicht insgeheim ein Huhn mit nach Brasilien gebracht haben, wohl aus einem Kissen.“ Sie hoffte, dass sie nicht zu vorlaut war, aber das war auch eine überflüssige Frage. „Könnten Sie vielleicht…“ Sie nickte und kam zu ihm, um ihm ein Kissen abzunehmen. Vermutlich wollte er verhindern, dass er durch ein kaputtes Kissen ständig Federn am Körper hatte. Auch wenn sie ihm nur zu gerne behilflich wäre, die zu entfernen und…Sie verbot sich, weiter zu denken. „Natür…“ Sie brach ab und sah kopfschüttelnd an sich herab. In ihrem Kopf bildeten sich Szenen, in denen er das absichtlich getan hatte, um sie berühren zu können. Sie atmete tief durch. Das durfte sie nicht denken. „Also ich bin definitiv kein Huhn“, lächelte sie ihn dann an und warf ihm das Kissen zurück gegen die Brust. Hoffentlich würde sie sich nicht irgendwann durch eine unbedachte Äußerung oder Geste verraten.

„Also ich bin definitiv kein Huhn.“ Er erwiderte ihr Lächeln. Was dachte sie bloß von ihm? Vermutlich nur, dass er tollpatschig war. Das passte ja ziemlich gut zu ihr. Innerlich schüttelte er den Kopf. Dieser Gedanke sollte gar nicht erst in seinem Kopf breitmachen. Doch irgendwie wollte er es auch nicht auf sich sitzen lassen, dass sie ihm ebenfalls das Kissen gegen die Brust geschlagen hatte. Deswegen warf er es einfach zurück und schnappte sich nebenbei ein anderes Kissen, falls sie zurückwerfen würde. Als er sie ansah, lachte er leise. „Jetzt sehen sie doch aus wie ein kleines Hühnchen.“

Statt ihr zu antworten, bekam sie ein Kissen gegen den Körper geworfen. „Hey“, rief sie empört und hielt es fest. Das hatte sie nicht erwartet. Und auch jetzt griff der Trainer sofort wieder nach einem Kissen. Wollte er darauf anlegen oder dachte er, dass sie zurückwerfen würde? Eigentlich hatte sie das nicht geplant, aber… „Jetzt sehen Sie doch aus wie ein kleines Hühnchen.“ Das hatte den Ausschlag gegeben und sie warf das Kissen zurück und lief lachend an ihm vorbei zum Bett, auf das sie selbstsicher hüpfte. „Das kleine Hühnchen kann auch ganz schnell gefährlich werden“, lachte sie und warf alle Kissen auf ihn, die sie in ihrer Nähe fand.

Als sie das Kissen zurückwarf, war er nicht überrascht. Doch dann stand sie plötzlich auf seinem Bett und sah auf ihr herunter. Also das passte ihm irgendwie nicht so recht. Aber Zeit darüber nachzudenken, hatte er nicht. Denn Frau Kramer warf bereits die ersten Kissen und er musste ihnen ausweichen. Als sie keine Kissen mehr übrig hatte, ging er zu ihr und hob sie von seinem Bett. Dass sie sich plötzlich wieder so nah waren, ignorierte er und stellte sie vorsichtig vor sich. „Damit die Verhältnisse hier klar sind...Sie werden sich nicht über mich stellen.“ Er war bestimmt, aber lächelte sie trotzdem an. Schließlich wollte er sie auch nicht verschüchtern. Dann sah er, wie viele kleine Federn sich in ihren Haaren verfangen haben. „Sie haben wirklich alles abbekommen.“ Er strich ihr sanft durch die Haare und entfernte so ein paar Federn.

Sie triumphierte innerlich, weil er keine Zeit hatte, irgendwie zu reagieren. Doch auch ihr ging einmal die Munition aus und sie stand verloren auf seinem Bett. „Damit die Verhältnisse hier klar sind…Sie werden sich nicht über mich stellen.“ Das hätte sie auch nie vor. Sie hielt sich erschrocken an seinen Schultern fest, als er sie einfach vom Bett hob. Das war eindeutig zu nah für ihren Kopf, der ihr schon wieder Bilder lieferte. Und doch konnte sie nicht verhindern, dass sie sich einen Moment in seinen Augen verlor. Aber er schien nichts zu merken, denn er lächelte sie nur an. „Sie haben wirklich alles abbekommen.“ Sie sah an sich herunter und sah doch keine Feder. „Was meinen Sie?“ Fragend hob sie den Blick und sah, wie der Trainer seine Hand zu ihren Haaren ausstreckte und im nächsten Moment einige Federn herauszog. Auch wenn sie es nicht wollte, konnte sie diese Geste nur genießen und schloss wie selbstverständlich die Augen, um die Berührungen zu genießen. Dass sie so in Erklärungsnot kommen würde, bedachte sie gerade nicht. Dafür war sie viel zu sehr in die Nähe zu ihm versunken.

„Was meinen Sie?“ Er hielt ihr, wie sie zuvor, eine Feder hin und ließ sie dann achtlos zu Boden fallen. Die Unordnung könnte er später noch beseitigen. Erneut entfernte er eine Feder aus ihren Haaren und als er sah, wie sie die Augen schloss, war er verwirrt. Trotzdem genoss auch er den Moment und ließ seine Hand weiter durch ihre Haare streicheln, ehe er vorsichtig zu ihrer Wange wanderte. Doch dann bemerkte er, was er hier tat und trat schnell einen Schritt zurück. Er wollte ihr helfen. Sie verstanden sich gut. Das musste so sein. In seinem Kopf waren nur solche wirren Gedanken und er konnte sie nicht sortieren. Aber er hatte gerade eine Grenze überschritten, die er nicht hatte überschreiten dürfen. Doch es war nichts passiert und deswegen brauchte er keine Angst haben. „Ich sollte mich wohl besser wieder an meine Analyse setzen“, versuchte er, aus der Situation zu flüchten.

Sie hielt den Atem an, als seine Hand plötzlich an ihrer Wange lag. Das war jetzt vielleicht wirklich zu nah…zumal er zuvor noch ihr Verhältnis zueinander angesprochen hatte. Unsicher öffnete sie die Augen und sah direkt in ein Paar blaue. Wenn er sie weiter so ansah, würde sie noch Dinge tun, die sie irgendwann bereuen würde. „Ich sollte mich wohl besser wieder an meine Analyse setzen.“ Die Worte versetzten ihr einen Stich und doch war sie irgendwie froh, dass er die Situation so rettete. „Das sollten Sie wohl“, lächelte sie schwach und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Ich muss ja auch noch einiges erledigen“, fügte sie schnell hinzu und drehte sich um. Sie musste wirklich an die frische Luft. Leise durchquerte sie das Haus ihrer Vorgesetzten und warf sich in ihrem Zimmer auf das Bett. Das war alles vollkommen anders gelaufen, als es hätte geschehen sollen.

Er hatte die Zeit mit Frau Sommer genossen und er spürte, dass das eine wirklich gute Zusammenarbeit werden würde. Doch irgendwann musste er sich von ihr verabschieden, denn die Arbeit ließ nicht auf sich warten.
Die Zeit bis zum Abendessen war so ziemlich schnell vergangen und er musste sich beeilen, um nicht unpünktlich zu sein. Doch noch bevor der erste Spieler den Speisesaal betrat, saß er am Tisch und runzelte die Stirn. „Wo ist denn Hansi?“ Doch auch Oliver zuckte nur die Schultern. „Er war noch nicht hier und ist doch sonst immer pünktlich.“ Das stimmte und er machte sich sofort Sorgen. Sie hatten sich mit den neuen Mitarbeiterinnen amüsiert und danach hatte er ihn nicht mehr gesehen. „Ich sehe nach dem Essen mal nach ihm“, murmelte er und warf einen Blick durch den Raum. Wenigstens die Spieler waren alle hier. „Alle mal herhören“, verschaffte er sich Aufmerksamkeit und wurde schließlich von etlichen Augenpaaren angesehen. „Wir haben das erste Spiel vor der Brust. Deshalb erwarte ich von jedem vollen Einsatz. Wir haben ein Ziel vor Augen und für das werden wir alles geben. Wir werden morgen noch vor dem Frühstück einen Lauf am Strand machen. Wer nicht pünktlich um halb acht da ist, läuft später noch um den Platz. Das wars.“
Nach dem Essen stand er ziemlich zügig auf und machte sich auf den Weg zu Hansis Zimmer. Leise klopfte er an und hoffte, dass er hier war.