Ohne dich schlaf' ich heut' Nacht nicht ein

Er spürte, dass es auch Hansi nicht anders erging. Bei ihm konnte er einfach nicht daran denken, ihn mit seinem Nachnamen in Verbindung zu bringen, da er sich gestern mit seinem Vornamen vorgestellt hatte. Während der Arbeitsphase konnte er allen Kleingruppen Hilfestellung geben und warf schließlich auch Hansi einen Blick über die Schulter. „Sind Sie zufrieden?“ Er schmunzelte, weil er mehr in dieser Frage hörte als die anderen Studierenden. „Hoffen wir, dass Sie mich auch in Zukunft nicht enttäuschen“, antwortete er und klopfte ihm auf die Schulter, ehe er wieder nach vorne ging und die Lösungen vergleichen ließ.

„Hoffen wir, dass Sie mich auch in Zukunft nicht enttäuschen.“ Er biss sich auf die Zunge. Flirteten sie gerade indirekt miteinander? Er wusste nicht genau, was es war, aber er wollte definitiv mehr davon. Als er ihm auf die Schulter klopfte, lächelte er bloß und bemerkte, dass ihn seine Nachbarin seltsam ansah. „Was denn?“, fragte er sie irritiert. „So habe ich Herrn Charlen noch nie gesehen“, flüsterte sie ihm zu. Er lachte nur leise. „Vielleicht weil ihr einfach viel zu ernst seid.“ Er musste so tun, als wäre das alles harmlos. Schließlich war es das auch. Nachdem sie noch einige Aufgaben vorgestellt hatten, verließ er als erster den Raum. Er wollte nicht, dass irgendwelche seltsamen Gerüchte aufkamen. In den nächsten Tagen sah er den Dozenten oft auf den Gängen und konnte sich kein einziges Mal ein Lächeln verkneifen. Eine Woche später hatte er wieder eine Vorlesung bei Herrn Charlen. Seine Konzentration war zu Beginn noch da, aber je länger er den Dozenten beobachtete, desto mehr gefiel ihm seine Erscheinung.

Als er das Seminar beendete und seinen Laptop zusammengepackt hatte, war Hansi schon verschwunden. Seltsamerweise senkte diese Tatsache seine Laune. Dafür sah er ihn in den nächsten Tagen häufiger auf dem Flur. Aber wahrscheinlich kam es ihm bloß so vor, denn er durfte das, was sich langsam in seine Gedanken schlich, nicht zulassen. Und er schaffte es auch, diese Hirngespinste auszublenden, bis er ihm eine Woche später wieder in der Vorlesung gegenüberstand. „Heute werden wir uns mit kleinen Dialogen beschäftigen“, erklärte er und schrieb einige Dinge an die Tafel, die zur Bildung von Fragen wichtig waren. „Bilden Sie Zweierteams und trauen Sie sich, zu sprechen. Wir haben hier keinen Lateinkurs“, lachte er und startete die Präsentation, die er gleich noch benötigte. Eine junge Frau in der ersten Reihe forderte dennoch schnell seine Aufmerksamkeit. „Herr Charlen, haben Sie dieses Foto gemacht?“ Er war überrascht, dass sie ihn so einfach etwas Privates fragte. Dennoch gab es keinen Grund, ihr nicht zu antworten, auch wenn er es ihr nicht so leicht machen wollte. „Allí se puede ver mi lugar favorito en mi patria.“ Sein Blick schweifte zu Hansi und für einen Moment stellte er sich vor, dass er ihm diesen Ort persönlich zeigte. „Und jetzt setzen Sie sich bitte an Ihre Dialoge. Ich möchte, dass Sie sich untereinander besser kennenlernen.“

„Heute werden wir uns mit kleinen Dialogen beschäftigen. Bilden Sie Zweierteams und trauen Sie sich, zu sprechen. Wir haben hier keinen Lateinkurs.“ Er lächelte. So eine Aussage war irgendwie typisch für den Dozenten. Eigentlich wollte er sich seinem Nachbarn zuwenden, aber da forderten wieder die Mädchen in der ersten Reihe seine Aufmerksamkeit. Wieso mussten sie auch immer mit dem Dozenten reden? Er verstand nur spanische Wortfetzen, aber wie er sie anlächelte, gefiel ihm nicht. Kurz trafen sich ihre Blicke und er fühlte sich ertappt. Trotzdem kniff er die Augen zusammen und drehte sich dann endlich zu seinem Nachbarn. „Und jetzt setzen Sie sich bitte an Ihre Dialoge. Ich möchte, dass Sie sich untereinander besser kennenlernen.“ Er würde lieber jemand anderen besser kennenlernen, als seinen Nachbarn, aber das konnte er ja schlecht sagen. Ihre Dialoge dauerten ziemlich lange und jeder sollte vorstellen. Deswegen waren sie 90 Minuten lang mit nichts anderem beschäftigt. Allerdings zog ihn irgendeine Art Magie nach vorne zu Herrn Charlen. „Ich habe nicht verstanden, was sie eben gesagt haben“, rechtfertigte er sich schnell.

Er hatte nicht gedacht, dass diese Aufgabe so lange dauern würde. Aber es freute ihn, dass jede Gruppe ihre Ergebnisse vorstellen wollte. So bekam auch er einen Überblick, wer sich an die Sprache traute und wer noch zögerlich war. Gerade bei Hansi merkte er, dass er sehr viel nachdachte und seine Worte so etwas verkrampft wirkten. „Ich habe nicht verstanden, was sie eben gesagt haben.“ Überrascht hob er den Blick, weil er gerade seine Tasche gepackt hatte und sah in ein Paar strahlend blauer Augen. Er schluckte. Dass er so plötzlich vor ihm stand, hatte er nicht erwartet. Deshalb fuhr er sich überfordert durch die Haare, während er überlegte, was er meinte. Doch eigentlich konnte es nur sein kurzes Gespräch mit den Frauen sein. „Ich habe ihnen gesagt, dass es meinen Lieblingsort in meiner Heimat zeigt.“ Er lächelte, weil er den Strand und das Meer sofort wieder vor Augen hatte. „Und damit Sie die spanische Variante haben, übersetzen Sie es bitte ins Spanische, por favor“, grinste er und verschränkte die Arme. Das Wörterbuch lag auf dem Tisch und dürfte es ihn nicht vor große Herausforderungen stellen.

Dass Herr Charlen sich durch die Haare fuhr, beobachtete er genauestens und sah dann doch kurz zur Seite. Sein Verhalten war peinlich und er durfte das auf keinen Fall bemerken. „Ich habe ihnen gesagt, dass es meinen Lieblingsort in meiner Heimat zeigt.“ Er sah zu der Stelle, an der zuvor der Laptop gestanden hatte. „Und damit Sie die spanische Variante haben, übersetzen Sie es bitte ins Spanische, por favor.“ Kurz überlegte er, aber irgendwie fehlten ihm die Worte. „Tut mir leid. Ich kann Ihnen sagen, wie sie gerade aussehen, aber das kann ich noch nicht.“ Verunsichert lächelte er ihn an. Im nächsten Moment wurde ihm bewusst, dass das mit dem Aussehen auch zweideutig verstanden werden konnte.

Er beobachtete ihn dabei, wie er nachdachte. Irgendwie konnte er sich ziemlich genau vorstellen, wie er an seinem Schreibtisch über den Aufgaben brütete. „Tut mir leid. Ich kann Ihnen sagen, wie Sie gerade aussehen, aber das kann ich noch nicht.“ Er blinzelte, weil er noch zu sehr in Gedanken gefangen war, doch dann nickte er. „Dann fangen wir doch damit an. Ich habe noch etwas Zeit und stehe Ihnen zur freien Verfügung“, grinste er und setzte sich erneut auf den Tisch. Denn hier vorne waren keine Stühle, aber ihm gegenüberstehen wollte er auch nicht. Während Hansi nach den richtigen Worten suchte, lehnte er sich zurück und stützte seine Hände hinter sich auf den Tisch.

„Dann fangen wir doch damit an. Ich habe noch etwas Zeit und stehe Ihnen zur freien Verfügung.“ Seine Augen funkelten kurz und er konnte die Gedanken in seinem Kopf kaum ausstellen. Dieser durchaus attraktive Mann saß vor ihm auf dem Tisch und erzählte ihm, dass er ihm zur Verfügung stand. Auch wenn er seine verbotenen Ideen verdrängte, konnte er sich nicht vorstellen, dass Herr Charlen nicht wusste, was für zweideutige Anspielungen er machte. Aber wenn er mit ihm spielte, durfte er das auch. Er musterte ihn auffällig und lächelte dann. „Sie tragen schwarze Schuhe und eine blaue Jeans.“ Sein Blick hing zuerst an seinen Füßen und wanderte dann höher je mehr Kleidungsstücke er erwähnte. „Außerdem haben Sie ein weißes Hemd an und tragen darüber eine schwarze Jacke.“ Er wunderte sich, wie viel besser sich sein Spanisch anhörte, wenn er sich nicht so verkrampft konzentrierte. „Und Ihre Augen funkeln, wenn sie über ihre Heimat sprechen.“ Und bei anderen Dingen, aber das ging wirklich zu weit.

„Sie tragen schwarze Schuhe und eine blaue Jeans. Außerdem haben Sie ein weißes Hemd an und tragen darüber eine schwarze Jacke.“ Er lächelte und hörte ihm aufmerksam zu. Das klang wesentlich besser als zuvor im Plenum. Vielleicht sollten sie sich öfter so zusammensetzen und…Nein, daran sollte er nicht einmal denken. „Und Ihre Augen funkeln, wenn Sie über Ihre Heimat sprechen.“ Überrascht sah er ihn an. Die vorherigen Beschreibungen waren so, wie sie es gelernt hatten. Aber sein letzter Satz war viel persönlicher. Aber dennoch spürte er nur ein angenehmes Kribbeln, wenn er so über ihn sprach. Neugierig lehnte er sich vor und stützte seine Arme auf seine Knie. „Fahren Sie fort“, murmelte er und hielt seinen Blick fest. Jetzt war er wirklich gespannt und wollte noch viel mehr hören.

Dass er sich auf seine Knie abstützte, überraschte ihn kurz, da er ihm jetzt ein ganzes Stück näher war. „Fahren Sie fort.“ Das hier ging in eine völlig andere Richtung, als er sich das gedacht hatte. Doch Herr Charlen schien das anscheinend auch zu wollen. „Manchmal fallen Ihnen einige Haarsträhnen ins Gesicht und dann streichen Sie sie weg.“ Das ging etwas weiter, war allerdings nicht zu heftig. „So wie jetzt.“ Behutsam strich er ihm die Haare aus dem Gesicht. „Und für mehr reicht mein Spanisch leider noch nicht aus.“ Er sah ihn unschuldig lächelnd an. „Und jetzt sind Sie dran.“

„Manchmal fallen Ihnen einige Haarsträhnen ins Gesicht und dann streichen Sie sie weg. So wie jetzt.“ Plötzlich waren sie sich viel näher, aber er war dem nicht abgeneigt. Mit einem Lächeln ließ er zu, dass er ihn berührte. Trotzdem vergaß er nicht, dass sie sich in einem öffentlichen Gebäude befanden. „Und für mehr reicht mein Spanisch leider noch nicht aus. Und jetzt sind Sie dran.“ Schmunzelnd lehnte er sich zurück und ließ seinen Blick ungeniert über seinen Körper wandern. „Die wesentlichen Punkte haben wir ja schon abgearbeitet. Aber…“ Er zögerte und suchte seinen Blick, ehe er weitersprach. „Ihre Augen gleichen dem Meer Spaniens.“ Dass er ihm so das Gefühl vermittelte, zuhause zu sein, sprach er nicht aus. Der Gedanke war ihm gerade erst gekommen, aber noch ging er wirklich zu weit. Deshalb widmete er sich wieder unverfänglicheren Dingen. „Wenn Sie konzentriert arbeiten, legen Sie ihren Kopf zur Seite und runzeln die Stirn…So wie jetzt“, wiederholte er seine Worte und legte seine Hand für einen Moment an Hansis Wange.

Herrn Charlens Blick trieb ihm die Röte in die Wangen. So hatte ihn noch kein Mann angesehen. „Die wesentlichen Punkte haben wir ja schon abgearbeitet. Aber…“ Neugierig sah er ihn an. Auf die Aussage war er definitiv gespannt. „Ihre Augen gleichen dem Meer Spaniens.“ Kurz biss er sich auf die Lippe. Das war ein wundervolles Kompliment, da er wusste, wie viel ihm sein Heimatland bedeutete. „Wenn Sie konzentriert arbeiten, legen Sie ihren Kopf zur Seite und runzeln die Stirn…So wie jetzt.“ Verwirrt sah er ihn an. Darauf hatte er nie geachtet. Als Herr Charlen plötzlich seine Wange berührte, senkte er den Blick. Er wusste, dass sich seine Wangen röteten und wünschte sich insgeheim, sie würden es nicht tun. Als er zu seinem Dozenten aufsah, waren sie sich plötzlich so viel näher. Sein Lächeln bereitete ihm beinahe weiche Knie. „Wenn Sie lächeln…“, er schluckte. Das ging ganz schön weit. „…schlägt mir das Herz plötzlich bis zum Hals.“

Völlig falsche Gedanken schlichen sich in seinen Kopf, als er sich auf die Lippe biss. Niemand konnte mehr leugnen, dass sie miteinander flirteten. Doch dann wurde Hansi rot und er konnte nur noch lächeln. Unbewusst lehnte er sich weiter zu ihm und konnte so seine Augenfarbe noch deutlicher erkennen. „Wenn Sie lächeln…schlägt mir das Herz plötzlich bis zum Hals.“ Seine Augen weiteten sich, doch gleichzeitig raste sein Herz, weil er so viel von sich preisgab. Aber er wusste, dass es ihm genauso erging, weshalb er seine Hand langsam zu seinem Hals gleiten ließ, um sanft über seine Haut zu streicheln. „Sie beschreiben sich gerade nicht selbst, sondern Ihren Spanischdozenten“, flüsterte er und lächelte schwach. Allerdings konnte er nicht länger hier bleiben, da er hörte, wie Menschen den Raum betraten. Eilig verschwand er und flüchtete regelrecht in sein Büro, wo er sich gegen die Tür lehnte. Er war auf dem besten Weg, mehr für einen Studenten zu empfinden, als er sollte.

Er senkte den Blick, weil er nicht wusste, ob er nicht vielleicht zu viel gesagt hatte. Doch dann spürte er eine angenehme Berührung an seinem Hals und schloss für einen Moment die Augen. „Sie beschreiben sich gerade nicht selbst, sondern Ihren Spanischdozenten.“ Er schluckte und trat einen Schritt zurück. Da hatte er ihn aber ins eiskalte Wasser gestoßen. „Verzeihung“, murmelte er und wollte verschwinden. Aber Herr Charlen war da noch viel schneller. Traurig sah er ihm nach. „Verdammt“, fluchte er leise, als er weg war und wurde von den anwesenden Studenten komisch angesehen. „Jetzt glotzt doch nicht so blöd.“ Wütend und traurig verließ er die Uni. Weitere Kurse brauchte er jetzt wirklich nicht. Doch lange konnte er sich vor dem Dozenten nicht verstecken, denn er hatte ja am nächsten wieder einen Kurs bei ihm. Doch positive Laune hatte er nicht, auch wenn Herr Charlen anscheinend sehr gut drauf war oder gut schauspielern konnte. Er wusste, dass er sich benehmen sollte, aber er war dafür leider zu emotional.

„Verzeihung.“ Er stutzte, doch antworten konnte er nicht mehr. Das würde er definitiv klären müssen. Am nächsten Tag stellte er erleichtert fest, dass Hansi am nächsten Tag in seinem Kurs saß. Für kurze Zeit hatte er sich vorgestellt, wenn er seine Vorlesungen mied und seine Stimmung war sofort umgeschlagen. „Guten Morgen zusammen. Ich habe mir überlegt, dass wir uns bei diesem regnerischen Wetter an schönere Orte träumen. Sie werden heute lernen, wie Sie den Konjunktiv verwenden und verschiedene Landschaften beschreiben.“ Er suchte Hansis Blick, doch der sah stur zur Tafel. Leise seufzend erklärte er die Grammatik und verteilte anschließend die Übungen.

„Guten Morgen zusammen. Ich habe mir überlegt, dass wir uns bei diesem regnerischen Wetter an schönere Orte träumen. Sie werden heute lernen, wie Sie den Konjunktiv verwenden und verschiedene Landschaften beschreiben.“ Er biss sich auf die Zunge. Dass er gerade so etwas machen musste nachdem sie sich so nah gewesen waren. Aber er musste da professionell bleiben. Er hörte Herrn Charlen einfach nur zu. Sie sollten sich selbst ausdenken, wohin sie sich gerade träumen wollten. Er schrieb, dass er jetzt am liebsten zuhause in seiner Wohnung wäre und kochen würde. Dann würde er sich in sein Bett legen und hoffentlich endlich mehr schlafen. Positiveres fiel ihm gerade nicht ein und es war ihm egal, ob Herr Charlen das jetzt nun lesen würde oder nicht.

Er las einige Text und nahm auch Hansis Text zur Kenntnis. Allerdings stellte er sich vor, dass er nicht alleine dort war und er musste lächeln. Doch es schien ihm egal zu sein, ob er seinen Text las, was ihn ziemlich enttäuschte. Seufzend unterbrach er die Arbeitsphase und ließ einige Texte vorlesen. Viel korrigieren musste er nicht, aber bis zum nächsten Mal sollten sie die Texte weiterschreiben, sodass sie alle eine Seite abgeben konnten. Hansi hatte sich nicht einmal gemeldet und er ging mit gesenktem Blick an ihm vorbei. „Und ich hatte gestern gedacht, Sie eines Tages am Strand in Spanien zu treffen. Schade“, murmelte er, ehe er den Raum verließ. Vielleicht war es ganz gut, dass sie sich erst in einer Woche wiedersehen würden.

Sie ignorierten sich gegenseitig soweit das überhaupt ging und er wurde immer bedrückter. In was hatte er sich da bloß reingesteigert. „Und ich hatte gestern gedacht, Sie eines Tages am Strand in Spanien zu treffen. Schade.“ Das ließ er nicht gefallen. So einen Spruch würde er sich nicht gefallen lassen. Deswegen griff er nach seinem Arm und zog ihn zurück in den Raum. Er warf die Tür ins Schloss und verschränkte die Arme. „Sie sagen mir nicht, was ich zu tun und zu lassen habe. Ich will momentan nicht nach Spanien. Ich will…“ Er schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nichts mehr“, murmelte er und drehte ihm den Rücken zu. „Ich habe Ihnen Dinge gesagt, die ich Ihnen nicht sagen darf und das tut mir leid. Ich habe Grenzen überschritten.“

Er taumelte, weil er plötzlich am Arm gefasst wurde. Überrascht sah er Hansi an, der die Tür einfach wieder schloss. „Sie sagen mir nicht, was ich zu tun und zu lassen habe. Ich will momentan nicht nach Spanien. Ich will…“ Er hoffte so sehr, dass er die Worte aussprach, die er hören wollte. Doch leider war dies nicht der Fall. Allerdings merkte er, wie überfordert sein Student war. „Ich verstehe nichts mehr. Ich habe Ihnen Dinge gesagt, die ich Ihnen nicht sagen darf und das tut mir leid. Ich habe Grenzen überschritten.“ Er senkte den Blick, als er sich von ihm abwandte. Allerdings beschlich ihn langsam das Gefühl, dass er ihn falsch verstanden hatte. „Das haben wir beide“, murmelte er und legte ihm seine Hand auf die Schulter. „Mir scheint, Sie haben mich gestern falsch verstanden“, fuhr er fort, wobei er nicht verhindern konnte, dass seine Hand weiter zu seinem Hals wanderte. „Meine Worte sollten lediglich ausdrücken, dass Sie dieselben Empfindungen in mir wachrufen.“

„Das haben wir beide.“ Er wollte das nicht hören. Eine Abfuhr war einfach niemals schön, aber davon konnte man zu diesem Zeitpunkt wohl gar nicht sprechen. „Mir scheint, Sie haben mich gestern falsch verstanden.“ Er berührte seine Schulter und anschließend seinen Hals. Wieder schloss er die Augen. „Meine Worte sollten lediglich ausdrücken, dass Sie dieselben Empfindungen in mir wachrufen.“ Überrascht drehte er sich zu ihm. „Was?“, hauchte er atemlos. Mit so viel Ehrlichkeit hatte er nicht gerechnet und war dementsprechend überfordert. Vielleicht sollten sie das ab jetzt an einem anderen Ort besprechen. Dafür müsste er sich allerdings wieder ziemlich weit aus dem Fenster lehnen. „Können Sie spanisch kochen?“, fragte er verlegen.

„Was?“ Er hob hilflos die Schultern. Gestern war Hansi ehrlich gewesen, da war es jetzt an ihm, seine Worte noch einmal deutlicher zu formulieren. „Glauben Sie mir, das ist mir auch noch nicht passiert.“ Normalerweise war er immer distanziert zu seinen Studierenden, aber bei Hansi war das definitiv schief gelaufen. „Können Sie spanisch kochen?“ Er lachte, weil diese Frage eigentlich überflüssig war. Jeder spanische Mann konnte die Gerichte seines Landes zubereiten. „Ich lasse mich sehr gerne davon überzeugen, ob Ihre Kochkünste mit Ihrem Sprachtalent mithalten können“, erklärte er mit einem Zwinkern und verließ den Raum. Das war der Nachteil an den Hörsälen. Sie besaßen grundsätzlich zwei Eingänge und das Quietschen der anderen Tür verriet das Eintreffen eines neuen Kurses.

Dass er lachte, ließ ihn irritiert die Stirn runzeln. „Ich lasse mich sehr gerne davon überzeugen, ob Ihre Kochkünste mit Ihrem Sprachtalent mithalten können.“ Er biss sich auf die Lippe und sah ihm kurz nach, als er den Raum verließ. Jetzt musste er sich etwas überlegen, denn diesen Mann wollte er irgendwie beeindrucken und dass er ganz gut kochen konnte, half ihm nicht unbedingt weiter. Er kramte schnell einen Zettel raus und schrieb darauf seine Adresse und 19:00 Uhr am Freitagabend. Danach warf er das in Herrn Charlens Briefkasten und beeilte sich, nach Hause zu kommen. Den ganzen Abend suchte er passende Rezepte und ging am Freitag einkaufen. Das konnte alles nicht so schwer sein.

Er las gerade in einem Buch, da öffnete die Sekretärin die Tür, um die Post zu bringen. Lächelnd nahm er sie entgegen und legte sie auf den Stapel, als ein kleiner Zettel zu Boden segelte. Der Text darauf ließ ihn schmunzeln. Das konnte nur von einer Person stammen. Er heftete den Zettel sorgfältig ab und vertiefte sich wieder in seine Studien. Auf dem Weg zu seinem Auto lief er Hansi über den Weg. „Tengo muchas ganas.“ Er lächelte ihn an und fuhr nach Hause. Die folgenden zwei Tage war er auf einer Fortbildung und deshalb nicht in der Uni. So konnte er nur hoffen, dass es bei ihrem Treffen blieb. Mit einer Flasche spanischen Weins stand er am Freitagabend schließlich vor seiner Tür und klingelte zögernd. Er hatte versucht, ruhig zu bleiben und doch beschlich ihn langsam eine gewisse Nervosität.

Dass Herr Charlen ihm zugesagt hatte, machte ihn nur noch aufgeregter. Er würde definitiv hierher kommen. Aber er wollte doch cool sein und ihn irgendwie beeindrucken. Er zog sich ein schickes Hemd und eine Jeans an und eilte zur Tür, als es klingelte. „Hola“, begrüßte er seinen Dozenten und ließ ihn lächelnd herein. Er führte ihn in die Küche. Für ein eigenes Esszimmer hatte er dann doch nicht genug Geld, aber das würde ihn hoffentlich nicht stören. „Setzen Sie sich.“ Herr Charlen hatte Wein mitgebracht und den schenkte er ihm ein. Nachdem er das Essen auf dem Tisch drapiert hatte, setzte er sich ebenfalls dazu. Er war nervös, weil er nicht wusste, ob das ein typisches spanisches Essen war, auch wenn es so im Kochbuch stand. „Und?“, fragte er sichtlich angespannt.

„Hola.“ Er lachte und folgte ihm in die Küche. Es war eine typische Studentenwohnung, doch irgendwie hatte er es ziemlich gemütlich eingerichtet. „Setzen Sie sich.“ Hansi wirkte genauso nervös wie er und das gab ihm Sicherheit, dass auch er nicht wusste, wie das hier ablaufen würde. Deshalb sah er sich neugierig die Speisen an, die nach und nach auf den Tisch wanderten. „Und?“ Beeindruckt nickte er mit dem Kopf. „Ich denke, ich habe neue Qualitäten an Ihnen entdeckt“, lächelte er und wartete, bis er ebenfalls saß, ehe sie sich die Teller füllten. „Wobei Sie mir nicht erzählen können, dass Sie diese Dinge zum ersten Mal zubereitet haben.“ Dafür waren sie einfach viel zu lecker.